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Strategiewechsel

Christian Kruse,

Als IT-Fuzzie ist mein erster Reflex bei Problemen immer eine ausgedehnte Google-Recherche. Also suchte ich im Internet nach Informationen zu der Erziehung von gehörlosen Hunden und wurde auch schnell fündig – zumindest für die Grundlagen: leider ging eigentlich nichts darüber hinaus als zu erklären, dass man mit einem gehörloser Hund mit Sichtzeichen kommunizieren muss (Duh! Echt?) und dass der Hund darauf geprägt werden muss, sich stark an seiner Bezugsperson zu orientieren. Nicht besonders hilfreich.

Als nächster Schritt suchte ich nach Literatur. Auch da gibt es ein paar Bücher. Ich kaufte auf eine Empfehlung aus einem Internet-Forum das Buch „The Complete Guide to Owning a Deaf Dog: A Practical Guide to Adapting, Training, and Thriving As a Deafie Owner“ (ISBN 1954288107), und tatsächlich enthielt das Buch hilfreiche Tips und beruhigte vor allem bzw machte Mut. Ein gehörloser Hund muss kein Leinenhund sein, und er kann ein erfülltes Hundeleben führen. Man muss allerdings etwas umdenken.

Einiges hatte ich mir selber schon gedacht, doch mit Hilfe dieses Buches konnte ich Strategien zu folgenden Punkten herausarbeiten:

  • Ich benötigte auch für die wenigen Kommandos, für die ich keine Sichtzeichen hatte, ein Zeichen.
  • Das Training für die Beißhemmung würden wir definitiv verstärken und verändern müssen. Er lernte das nicht aus dem Verhalten der anderen Hundewelpen, da er ihre Schmerzlaute nicht hörte. Und das spiegelte sich auch im Verhalten wider: sein Welpenzergeln war deutlich ausgeprägter als bei meinen vorherigen Hunden.
  • Alfons würde mich regelmäßig anschauen müssen. Er schaute mich eh schon ungewohnt oft an, aber er würde mich noch häufiger ansehen müssen, damit ich ihm korrigierende Kommandos geben könnte.
  • Rückruf. Rückruf war ein echtes Thema. Nicht immer sieht der Hund einen an wenn man ihn zurückrufen muss. Genauer gesagt ist das eigentlich selten der Fall: wenn man den Hund dringend zurückrufen muss, schaut er einen eigentlich gerade nicht an.
  • Die Bestätigung musste anders laufen. Ein „Gut!“ oder „Super!“, was ich gerne benutzt habe, ist völlig nutzlos.
  • Korrektur musste nun auch über ein Sichtzeichen erfolgen. Mein gerne benutztes „Nein!“ war ebenso wirkungslos.

Zunächst ging ich die Bestätigung an. Einen Hund zu bestätigen ist ein wichtiges Werkzeug in der Erziehung um das erwünschte Verhalten hervorzurufen; außerdem ist eine Bestätigung zeitkritisch. Bestätigt man zum falschen Zeitpunkt, kann es sein, dass man das falsche Verhalten verstärkt. Deshalb musste die Geste einfach und prägnant sein, damit man sie schnell nutzen und sie auch mit einer Hand ausführen kann. Zuerst nutzte ich ein das Klatschen-Zeichen aus der Gebärdensprache, aber das war unpraktisch, da die Gebärde zu lange dauerte und zu viel Körpereinsatz braucht. Nach etwas nachdenken fing ich an, den Daumen hoch als Klickersignal (bei jeden Daumen hoch gibt es eine Belohnung) und das OK-Zeichen als „du machst es richtig, sehr gut“-Zeichen aufzubauen. Der Aufbau des Klicker-Signals war einfach: jedesmal, wenn er etwas gut machte, zeigte ich ihm den Daumen hoch und gab ihm direkt danach ein Leckerchen. Alfons begriff das sehr schnell, es dauerte nicht lange und er schaute begierig nach der Belohnung sobald er den Daumen hoch sah.

Die „du machst es richtig“-Geste dauerte länger. Mir war zunächst nicht recht klar, wie ich die Geste überhaupt aufbauen sollte. Mit Sprache kommt das irgendwie von selbst: jedesmal, wenn der Hund etwas gut macht, lobt man ihn und mit der Zeit lernt der Hund, dass ein „Super!“ bedeutet, dass er es richtig macht und freut sich darüber. Wie sollte man das mit Gesten bewirken?

Nachdem ich einige Tage darüber nachgedacht hatte, wurde mir klar: genau so. Der Hund wird es auf die gleiche Weise lernen wie ein hörender Hund das „Super!“ lernt. Ich fing also an, das OK-Signal jedesmal zu geben, wenn er etwas richtig machte, und dabei mit der Körpersprache zu unterstützen (aufmunterndes Nicken, Anspannung, wie man sich halt verhält wenn man ein kleines Kind anfeuern will). Nach und nach begriff Alfons, dass das OK-Symbol etwas Gutes darstellte.

Uff, puh. Die wichtigsten Gesten für die Erziehung saßen: das Daumen hoch als Klicker-Geste für das Shaping und die Bestätigung und das „du machst es richtig“ für die Bestätigung, dass er auf dem richtigen Weg ist.

Fehlende Gesten für Kommandos zu finden erwies sich anfangs auch als überraschend schwierig. Zum Beispiel ein Sichtzeichen für „Aus“ (lass das, was du im Maul hast, fallen) – wie und mit welchem Zeichen trainiert man das? Ich dachte wirklich lange darüber nach, bis mir aufging, dass es völlig egal ist, welche Geste ich nehme. Sie muss überhaupt gar nichts mit der Aktion zu tun haben. So kann man „Aus“ durchaus auch mit drei Fingern hoch zeigen. So könnte man das z.B. so trainieren:

  • der Hund trägt ein Spielzeug im Maul
  • man zeigt ihm die Futterbelohnung
  • kaum lässt er es fallen, zeigt man die Aus-Geste und belohnt es

Nach einigen Wiederholungen wird er verstehen, was die Geste bedeutet. Ich muss zugeben, dass ich das mit Alfons noch nicht geübt habe, weil ich andere Baustellen hatte, die ich als wichtiger empfand. Doch das werde ich definitiv noch angehen und dann hier berichten.

Im nächsten Artikel werde ich über die Beißhemmung sprechen.

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