Rückruf
Was einem in den Google-Suchergebnissen sofort empfohlen wird, sind Vibrationshalsbänder. Das ist allerdings ein schwieriges Gebiet. Wenn man nach Vibrationshalsbändern sucht, kommt man sehr schnell in das Gebiet der Elektro-Halsbänder, und der Einsatz solcher Halsbänder ist – aus gutem Grund – in Deutschland verboten.
Auf Empfehlung der Hundeschule fanden wir jedoch ein Halsband, und zwar den „Remote Vibra Multi-Trainer“ von Pettec. 600m Reichweite, geschützt gegen Spritzwasser und mit verstellbarer Vibrationsstärke – nicht optimal, ich hätte lieber etwas mit etwas mehr Reichweite und vollständig wasserfestes gehabt, es war jedoch besser als nichts. Wir wurden bereits gewarnt, dass es sein könnte, dass er nicht sensibel genug ist, um die Vibration zu bemerken. Deshalb war ich sehr gespannt, ob es funktionieren würde.
Da ich wollte, dass er das Vibrieren mit etwas Schönem in Verbindung brachte, schnitt ich mir Fleischwurst-Stücke zurecht und legte ihm das Halsband an. Ich löste die Vibration aus und beobachtete ihn gespannt. Er zeigte ein deutliches Ohrenspiel und schien etwas verwirrt zu sein. Ich bestätigte das sofort mit Fleischwurst. Das machte ich bis ich den Eindruck hatte, dass er verstanden hatte: wenn es vibriert gibt es was Tolles. Bei Alfons dauerte das viermal. Dann fing ich an, das Kommando aufzubauen: ich löste die Vibration aus, bedeutete ihm mit der bisherigen Geste zu mir zu kommen und bestätigte das Verhalten, als er bei mir war, mit Fleischwurst. Er hatte schnell raus, was das Vibrieren bedeutete.
Nächster Schritt: das Kommando draußen mit Ablenkung üben. Dort klappte es erwartungsgemäß schon deutlich schlechter: unter Ablenkung schien er die Vibration zumindest teilweise nicht wahrzunehmen. Ich stellte die Vibrationsstufe als aufs Maximum und probierte es nochmal. Und tatsächlich, jetzt bemerkte er die Vibration und kam zu mir. Das übte ich bei den nächsten Spaziergängen. Zunächst klappte es sehr gut, er kam schnell und freudig. Genau, was man sich als Hundebesitzer erhofft. Allerdings in den kritischen Situationen, etwa wenn andere Hunde im Spiel waren oder wenn er etwas Interessantes am Wegesrand roch, wurde es schwierig für ihn. Manchmal verzögerte er das Herkommen, manchmal ignorierte er es vollständig. Ich musste ganz klar das Kommando verstärken. Ich kaufte zu diesem Zweck Katzenfutter in kleinen Tüten. Die meisten Hunde lieben das Zeug und würden fast alles dafür tun, so auch Alfons. Sobald er spitz bekommen hatte, dass es für das Herkommen sowas genial tolles wie Katzenfutter gab, kam er ohne Umschweife im Schweinsgalopp sofort zu mir gerannt und leckte sich bereits auf dem Weg zu mir erwartungsvoll die Lippen. Perfekt.
Nebenbei: Katzenfutter macht Hunde übrigens nicht blind. Es ist umgekehrt der Fall: wenn man Katzen (nur) mit Hundefutter ernährt, können sie davon blind werden, da Hundefutter weniger Taurin enthält. Katzen haben hier einen höheren Bedarf und können es wohl nicht selber bilden. Katzenfutter ist für Hunde also nicht unbedingt das Gesündeste (weil es zu viel Protein enthält) und deshalb als Alleinfuttermittel nicht geeignet, aber als Belohnung völlig in Ordnung.
Ich übte den Abruf über die nächsten Wochen und Monate, und mit jedem erfolgreichen Abruf (die Quote lag bei annähernd 100 %) bekam ich mehr Mut. Etwa ein halbes Jahr übte ich den Rückruf mit Katzenfutter, anfangs mehrmals täglich und später nach Bedarf. Allerdings war das hantieren mit dem Katzenfutter wirklich ekelig, und auf Dauer wollte ich auch nicht auf Leckerchen als Belohnung angewiesen sein. Deshalb wollte ich im nächsten Schritt vom Katzenfutter auf Würstchen umsteigen, und danach die Leckerchen komplett ausschleichen.
Ich hatte aber auch gleichzeitig Angst, dass die Wichtigkeit des Abrufs darunter leidet, wenn ich eine weniger gute Belohnung nehme. Deshalb nutzte ich die ersten Tage eine lange Schleppleine, um ihn im Notfall zu mir holen zu können, und übte das Herkommen mit Würstchen als Leckerchen. Das hatte keinerlei Einfluss auf die Wichtigkeit des Kommandos: er kam immer noch sofort und schnell zu mir. An dem Punkt bin ich immer noch. In den nächsten Wochen werde ich die Belohnung für den Abruf nach und nach ausschleichen.
Anfangs, bevor ich wusste, dass Alfons gehörlos ist, hatte ich für den Abruf ein Sichtzeichen eingeführt: ich zeigte vor mir auf den Boden. Das hatte er auch soweit verstanden, aber auf eine Entfernung von mehr als ein paar Metern war das leider keine gute Geste, denn sie war nicht eindeutig genug und nicht klar erkennbar. Deshalb führte ich gleichzeitig auch eine neue Geste ein: ich streckte beide Hände hoch in die Luft. Ich trainierte sie Anfangs getrennt vom Abruf mit dem Halsband, um ein Abruf-Signal zu haben, dass ich nicht mit dem ekeligen Katzenfutter belohnen musste. Nach einer Weile allerdings ging mir auf: das ist eine bescheuerte Idee. Besser trainierte ich den Abruf mit dem Sichtzeichen gleichzeitig mit dem Abruf durch das Halsband und ersetzte nach einer Weile das Katzenfutter und hatte so zwei Kommandos mit der gleichen Wichtigkeit und der gleichen Bedeutung.