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Beißhemmung

Christian Kruse,

Bei Alfons kamen hier zwei Dinge zusammen: einerseits hatte er ganz klar nicht gelernt, wie fest zu fest ist: er biss recht hemmungslos zu, und das tut mit den kleinen Mäusezähnchen teilweise schon ganz gut weh.

Da Alfons nicht in der Lage war zu hören, wenn ich „Au!“ rief, schien er nicht zu verstehen, warum ich jetzt das Spiel unterbrochen hatte. Und ich war Anfangs sehr irritiert, dass er so überhaupt nicht auf das Beißhemmungs-Training ansprach. Ich fing an wirklich übertrieben zu schauspielern: wenn er mich zu fest biss hielt ich mir theatralisch die entsprechende Körperstelle und wiegte hin und her oder rieb sie mir, als wenn ich starke Schmerzen hätte. Gleichzeitig wandte ich mich von ihm ab. Auch das funktionierte eher mäßig.

Irgendwann verlor ich wirklich die Geduld und biss ihm, als er mich wieder zu fest biss, kurzerhand ins Ohr. Nicht so, dass es ihm ernsthaft weh tat, aber doch so, dass er es merkte. Er war ziemlich erschrocken, aber es schien klick gemacht zu haben. Er war deutlich vorsichtiger, und wenn ich wieder Schmerzen simulierte und mich abwandt hatte das einen deutlich dämpfenden Effekt. Das hielt so zwei Tage, dann musste ich die Übung nochmal wiederholen. Von da an hatte ich das Gefühl, dass er verstanden hat, worum es geht. Inzwischen kann ich bedenkenlos auch ohne Spielzeug mit ihm spielen und ihn sogar mit meinen Nichten und Neffen spielen lassen: er ist so vorsichtig, dass sie sich nicht beschweren.

Und zweitens hatte er bei starken Gefühlsregungen ziemlich klar einen starken Drang nach mir zu greifen (das beissen um etwas zu halten / aufzunehmen / ziehen / … nennt sich greifen). Es war ziemlich offensichtlich, dass er nicht verletzend oder maßregelnd beissen wollte, er griff zielsicher in meine Kleidung oder in Hautfalten und zog daran. Einem Gast griff er mal im Sitzen in die Seite, so dass es empfindlich kniff. Ein absolutes No-go!

Ich dachte zunächst, dass ich das mit dem Beißtraining erschlage. Aber ganz gleich, wie vorsichtig er beim spielen wurde, dieses Verhalten hörte nicht auf. Um dem zu begegnen baute ich zunächst Druck auf. Ich schob ihn zur Seite, wenn er das Verhalten zeigte oder ich verbot es ihm streng. Das brachte überhaupt gar keine Änderung. Danach bot ich ihm Alternativen an und baute gleichzeitig Druck bei Fehlverhalten auf: ich gab ihm ein Beißspielzeug, dass er nur in diesen Situationen bekam, und korrigierte ihn mahnend, wenn er das Verhalten zeigte. Das half zuerst recht gut und er nahm die Alternative gerne an, aber nach ein paar Tagen lies er dann das Spielzeug fallen und griff trotzdem wieder zu. Deshalb erhöhte ich den Druck: ich kniff ihm bei unerwünschtem Verhalten leicht in die Lefzen. Das änderte leider gar nichts.

Deshalb erhöhte ich nochmal den Druck und fing ich an zeitlich genauer zu arbeiten: ich konnte ungefähr abschätzen, wann es soweit sein würde, dass er nach mir greifen würde. Ich kam ihm knapp zuvor und drückte seine Nase und Schnauze mit dem flachen Handrücken zur Seite. Direkt danach gab ich ihm sein Beissspielzeug.

Das brachte einen deutlichen Erfolg. Sein Greif-Verhalten hat nicht aufgehört, aber man sieht ihm inzwischen sehr deutlich an, dass er statt zuzugreifen nach Alternativen Möglichkeiten zu greifen sucht (etwa ein Stöckchen am Boden, oder sein Beißspielzeug). Und solange er auch eine bekommt, lässt es sich inzwischen problemlos umleiten.

Ich glaube nicht, dass das Greifen jemals ganz aufhören wird. Es scheint irgendwie als Bedürfnis in ihm zu stecken, keine rechte Ahnung warum. Es ist jedoch mit etwas Druck von Zeit zu Zeit und einer Alternative gut umlenkbar und damit nicht länger problematisch. Und mit steigendem Alter wird das sicherlich auch noch weiter abnehmen bzw das Alternativ-Verhalten wird sich weiter ritualisieren und festigen. Und damit kann ich da dann auch damit leben.

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