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Anti-Jagd-Training

Christian Kruse,

Impulskontrolle

Bei der Impulskontrolle geht es im Grunde um Übungen, die dem Hund Selbstkontrolle beibringen: etwa sitzen zu bleiben, wenn ein Ball vorbeirollt. Oder nicht nach dem Futter zu greifen, wenn es auf den Boden fällt. Ich habe von Anfang an viel Wert auf solche Übungen gelegt, auch schon bevor wir von seiner Gehörlosigkeit wussten, weil ich von Peer, Alfons Vorgänger, wusste, wie wichtig diese Übungen sind, um den Jagdtrieb unter Kontrolle zu halten.

Dieses Training unterscheidet sich kaum von dem Training für hörende Hunde – außer, dass ich bei Alfons noch mehr Gewichtung auf diese Art von Übung legte. Wenn Alfons dem Trieb Wild zu jagen nicht widerstehen kann, habe ich kaum Möglichkeit ihn zurückzurufen oder zu stoppen. Das Vibrationshalsband hat eine sehr eingeschränkte Reichweite, und mein Rufen kann er nicht hören. Also muss verhindert werden, dass er überhaupt erst losrennt.

Angefangen habe ich mit einfachen Dingen: etwa sitzen zu bleiben bis ich ihm erlaube aufzustehen, wenn ich Futter in den Napf gebe. Oder nicht nach Futter zu greifen, wenn ich es fallen lasse. Bleib-Training: Alfons muss sitzen oder liegen bleiben, während ich durch die Gegend laufe. Die Schwierigkeit erhöhen kann man, wenn man anfängt zu rennen oder wenn man am Hund vorbeirennt. Bis Alfons sicher liegen bleiben konnte, wenn ich an ihm vorbeirenne, hat es fast eine Woche gedauert.

Später habe ich dann geübt, sitzen zu bleiben, wenn ich einen Ball oder einen Dummy werfe. Inzwischen kann ich Futter werfen und wenn Alfons hinterher hetzt, kann ich ihn mit dem Klatschen dazu bringen sich umzudrehen und durch Handzeichen dann in den Platz schicken oder zu mir rufen. Das Gleiche gilt bei der Dummy-Arbeit: Ich kann ihn einen Dummy holen schicken und mitten drin stoppen und abrufen oder in den Platz schicken. Das ist für einen Hund schon eine beachtliche Leistung, und ehrlich gesagt: so langsam gehen mir auch die Ideen aus, wie ich die Übungen noch schwieriger machen kann.

Ich mache diese Art Übungen täglich in der Mittagspause, etwa 15–20 Minuten. Das reicht auch völlig aus, danach ist er platt und muss sich erstmal ausruhen. Ich bemühe mich dabei immer wieder neue Varianten zu erfinden, etwa habe ich vor kurzem angefangen Alfons mit Futter buchstäblich zu bewerfen: Ich werfe es ihm an die Brust oder rolle es ihm auf die Füße oder werfe es ihm direkt über den Kopf, und er darf nicht danach greifen. Vorher bin ich sehr plötzlich von ihm weg gesprintet, und er musste lieben bleiben. So wird es für den Hund nie einfach, und er wird immer wieder gefordert.

Jagdtrieb ausleben

Es ist wichtig zu verstehen, dass der Jagdtrieb sich bei den unterschiedlichen Hunderassen auf unterschiedliche Art und Weise manifestiert. Es gibt Sichtjäger, die darauf spezialisiert sind, hinter einer davonlaufenden Beute hinterherzulaufen. Die bekanntesten Vertreter sind hier wohl Windhunde.

Dann gibt es Hütehunde, die ihren Jagdtrieb im Hüten ausleben. Border Collies oder Australian Sheperds sind da wohl die bekanntesten Rassen.

Und dann gibt es die Retriever-Rassen, die ihren Trieb durch Nasenarbeit und das Apportieren ausleben. Der Labrador Retriever und der Golden Retriever sind vermutlich die bekanntesten Vertreter. Diese Hunde haben ein starkes Bedürfnis, die Nase zu benutzen und Dinge zu tragen. Bei Alfons hat sich das schon sehr früh insofern geäußert, dass er anfing mit Dinge hinterherzutragen. Vom Stöckchen, dass ich weg geworfen hatte, über seine Leine (es sorgt durchaus für nicht wenig Erheiterung, wenn der Hund mit seiner eigenen Leine im Maul hinter einem herläuft) über Werkzeuge, die ich auf die Seite gelegt hatte, wenn ich draußen arbeitete.

Ich hatte das durchaus schon vorher auf dem Schirm gehabt, das war einer der Gründe, warum wir uns für einen Retriever entschieden hatten. Ich fing schon früh an, mit Alfons das Apportieren zu üben. Wir bauten es über einen Futterdummy auf: Er verstand sehr schnell, dass es sich lohnte, mit mir zusammenzuarbeiten und erstens den Dummy zu holen und ihn zweitens auch wieder abzugeben. Denn jedes Mal, wenn er mir den Dummy brachte und ihn auch abgab, bekam er aus dem Dummy zu fressen. Der Futterdummy wurde sehr schnell zu einem sehr wichtigen Gegenstand in Alfons Welt.

Das wiederum war die Voraussetzung, um die interessanteren Dummy-Übungen aufzubauen: das Markieren, das Einweisen und die Verlorensuche.

Markieren bedeutet, dass Alfons neben mir sitzt und ich einen (oder mehrere) Dummys werfe. Er beobachtet, wohin sie fallen, und holt sie dann. Diese Übung kann man auch wunderbar zur Impulskontrolle nutzen: Man kann Verleitdummys werfen (einen Dummy werfen, wenn er bereits einen trägt oder wenn er einen anderen holen soll), man kann das holen stoppen, man kann den interessanteren Dummy auswerfen und dann einen anderen holen lassen, etc., pp. Eine tolle Übung.

Einweisen bedeutet, dass ich weiß, wo der Dummy liegt und Alfons mit Sichtzeichen zum richtigen Ort dirigiere. Das Einweisen mag ich, weil Alfons und ich so stark zusammenarbeiten und so die Bindung verbessern. Wir sind allerdings beide noch Anfänger in dieser Disziplin.

Verlorensuche bedeutet, dass ich zwar in etwa weiß, wo der Dummy liegt, aber nicht genau. Ich schicke Alfons dann los und er darf selbstständig suchen. An dieser Ausrichtung hat er ganz klar den meisten Spaß. Man sieht richtig, wie aufregend das für ihn ist. Aufgebaut habe ich es, indem ich Dummys erstmal selber versteckt habe: Er musste sitzen bleiben, während ich den Dummy versteckt habe. Dann bin ich zurückgekommen und er durfte los und ihn suchen. Das ist relativ einfach für ihn, denn er kann ja einfach meiner Spur folgen. Diese Übung mache ich immer noch regelmäßig, mit variierender Schwierigkeit: manchmal vergrabe ich einen Dummy, manchmal hänge ich ihn an einem Ast auf oder lege ihn in eine Astgabel. Und manchmal lege ich ihn ins Unterholz.

Als Alfons begriffen hatte, worum es ging und auch schon etwas Übung hatte, habe ich ihn außer Sicht liegen lassen und habe einen Dummy auf einem sehr klar abgegrenztem Gebiet geworfen. Er konnte so nicht sehen, wo er liegt. Der Platz war vielleicht zehn mal zehn Meter groß. Dann habe ich ihn losgeschickt zum Suchen.

Inzwischen kann ich einen Dummy im hohen Gras auf eine Wiese werfen (ohne, dass er es sieht) und ihn den Dummy suchen lassen. Als nächsten Schritt werde ich einen zweiten und irgendwann noch mehr Dummys gleichzeitig ins Spiel bringen.

Sicht-Konditionierung

Die oben beschriebene Arbeit sehe ich als Voraussetzung für ein Anti-Jagd-Training. Und für einen hörenden Hund ist das sicherlich auch genug, bei einer Wild-Begegnung ruft man dann dem Hund ein „Platz!“ hinterher und er sollte in der Lage sein, das Kommando auszuführen.

Bei Alfons reicht das allerdings nicht. Ich kann ihm kein Platz hinterherschicken. Hier fühlte ich mich auch das erste Mal ernsthaft überfordert. Wie sollte ich einen gehörlosen Hund davon abhalten, hinter einem Wild hinterherzuhetzen?

Ich war so ratlos, dass ich sogar eine Einzelstunde bei der Hundetrainerin vereinbarte. Zusammen mit ihr haben wir uns eine Strategie ausgedacht, die zumindest für mich durchaus erfolgversprechend ist. Im Wesentlichen läuft sie darauf hinaus, dass wir Alfons darauf konditionieren, in Jagd-Situationen zunächst zu mir zu schauen und sich am besten auch von selbst hinlegt. Sozusagen ein automatisches Platz.

Das Training dafür sieht so aus, dass ich mit der Schleppleine arbeite. Jedes Mal, wenn Alfons abdriftet, etwa weil er eine Wildspur riecht oder wenn er Wild sieht, fordere ich mit der Schleppleine seine Aufmerksamkeit ein (Blickkontakt) und schicke ihn ins Platz. Typische Situationen wären hier etwa Geländeübergänge, etwa wenn das Gelände etwa bei einer Feldauffahrt auf einmal einsehbar wird, oder wenn Alfons die Nase in den Wind hält, weil er einen interessanten Duft aufgenommen hat.

Für mich ist das Training sehr anstrengend, da ich immer genau im Blick haben muss, was Alfons gerade tut, und immer den Hund korrekt und schnell lesen muss. Inzwischen sind wir aber so weit, dass Alfons sich an Geländeübergängen zunächst mich anschaut und sich problemlos ins Platz schicken lässt. Ich bin also vorsichtig optimistisch und werde sicherlich später nochmal darüber berichten.

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