„Schatz, der Hund hört nicht!“
Ich dachte zuerst, dass das Hierher einfach noch nicht wichtig genug war in seinem Kopf und versuchte ihn mit besseren Leckerchen zu locken. Die nahm er auch sehr gerne, aber das Verhalten änderte sich nicht: in Situationen mit starker Ablenkung konnte er immer noch nicht zu mir kommen. Immer noch hab ich nicht im Traum daran gedacht, dass er gehörlos sein könnte: er war (und ist) verdammt gut darin mich zu lesen und mich im Auge zu behalten. Die Kommandos saßen einwandfrei, er folgte mir immer wenn ich irgendwo hin gegangen bin, nur das mit dem Hierher, ich musste immer erst drohen… für einen Welpen total untypisch!
Nach etwa vier Wochen wusste ich auch nicht mehr weiter und habe mal die Hundetrainerin darauf angesprochen. Meine Schilderungen mussten ziemlich konfus geklungen haben, ich war mir selber nicht im klaren darüber, wo genau das Problem liegt. Mal schien er gut zu kommen, mal klappte es nicht wirklich bzw. nur wenn ich laut klatschte. Um das zu zeigen habe ich das in der Situation auch direkt vorgeführt: keine Reaktion, obwohl ich mehrfach laut rief. Kaum ging ich jedoch in die Hocke, kam er sofort freudig zu mir gelaufen.
Nach einigem hin und her kam dann die Frage auf: hast du mal geprüft, ob er dich überhaupt hören kann? Nein, hatte ich natürlich nicht.
Als ich wieder zuhause war, habe ich erstmal experimentiert. Ich hatte auch immer Sichtzeichen trainiert, einfach weil es praktisch ist den Hund nur mit einer Geste Anweisungen gehen zu können. Die ließ ich jetzt mal weg: Sprachkommando Sitz! - klappte sofort. Sprachkommando Platz! - klappte sofort. Er hört doch! Oder? Sprachkommando Platz! - der Hund setzt sich hin. Hä?
Je mehr ich experimentierte, desto offensichtlicher wurde es: Alfons war einfach verdammt gut darin zu raten oder zu lesen, was ich von ihm wollte. Je zufälliger ich mich verhielt, desto schlechter klappten die Kommandos. Und je länger Daniela und ich darüber nachdachten, desto offensichtlicher wurde es. Am ersten Tag hatte ich den Rasen mähen müssen, und Alfons war trotz laufendem Rasenmäher einfach auf der Wiese eingeschlafen. Zwischendurch, wenn Mila, der Hund meiner Mutter, zu Besuch war und in den Raum kam, schlief er einfach weiter. Wenn ich den Raum verließ und dabei nicht wie ein Trampeltier gegen irgendwelche Tische bollerte, schlief er einfach weiter. Das „Nein!“ hatte so gar nicht geklappt, vor allem in den ersten Tagen, obwohl wir irgendwann vor Verzweifelung laut brüllten (wir hatten das für Dickköpfigkeit gehalten).
Tja, es war offensichtlich: Alfons war gehörlos.
Um eventuell lösbare Probleme auszuschließen ging ich dann noch zur Tierärztin. Leider konnte sie aber auch nichts feststellen, sie bestätigte nach ein paar Tests jedoch meine Diagnose.
Um es zusammenzufassen: festzustellen, ob ein Hund gehörlos ist oder nicht, ist im Zweifel gar nicht zu einfach. Man muss wissen, worauf man achten muss:
- Ohrenspiel: bewegen sich die Ohren, wenn es Geräusche gibt?
- Schläft der Hund einfach weiter, wenn es Verkehr im Raum gibt?
- Scheint der Hund manchmal einfach nicht gehorchen zu wollen, obwohl er gerade mal ein paar Wochen alt ist?
- Scheint der Hund bei reinen Rufzeichen nicht recht zu verstehen, was los ist?
- Bei Welpen: scheint der Welpe unverhältnismäßig fest zu beißen? Er hat dann wohl nicht gelernt, wann zu fest ist, weil er die Schmerzenslaute seiner Geschwister nicht gehört hat.
- Reagiert er nicht auf das Geräusch, dass das Futter macht wenn man es in den Napf schüttet?
Im Zweifel kann der Tierarzt mit Sensorik messen, ob der Hund hören kann. Das haben wir uns bei Alfons gespart, da es so eindeutig war.